Vor der Hannovermesse lud mich eines der erfolgreichsten Familienunternehmen Deutschlands zu einem Vortrag für ihr Messeteam ein. Der „Senior“ hatte sich erst kürzlich komplett aus dem operativen Geschäft zurückgezogen und das Unternehmen einem sorgfältig ausgewähltem Management übergeben. Er war trotzdem mit dabei. Nein: eher mittendrin, in Reihe eins. Mit seinem Blick und seinem Lachen schenkte er Kraft und Freude – auch mir auf der Bühne. Unauffällig, aber präsent. Humorvoll und gleichzeitig sehr klar.
Ich weiß nicht, ob Sie das kennen: Man konnte spüren, dass jeder der 500 anwesenden Mitarbeiter ihn verehrte. Meine Ansprechpartnerin schwärmte hinterher: „Wir lieben ihn alle. Seine Tür ist offen, und es kann wirklich jeder reingehen.“ Das ManagerMagazin schrieb mal über den hidden Champion: „Weltmeister der Bescheidenheit“ und „Weltmeister im Verkaufen“. Ich liebe diese Unternehmen, in denen Sie spüren: ihr Erfolg entspringt einzig ihrer Haltung. Weil sie für das, was sie sagen, einstehen. Ohne groß darüber zu reden.
Auf der anderen Seite lesen Sie so oft auf Hochglanz gedruckt: „Der Mensch steht im Mittelpunkt“, „Dialoge führen wir auf Augenhöhe“ und als Höhepunkt des Serviceversprechens: „Customer First“ oder „Geht nicht, gibt’s nicht.“ Wenn Sie aber im Unternehmen anrufen, müssen Sie dem begriffsstutzigen Sprachsteuerungssystem mühsam eine sechzehnstellige Vertragsnummer aufzählen, um dann mit einem automatisierten Callcenter-Mitarbeiter verbunden zu werden, der Ihnen Standard erzählt statt im System nach der richtigen Info zu suchen. Ein Wunsch, der außerhalb der Norm ist, geht nicht, obwohl Sie selbstredend bereit wären, dafür zu bezahlen. Statt eine berechtigte Reklamation zu erledigen, wird lieber um jeden Cent gefeilscht als um den Kunden gekämpft. Ich weiß nicht, wie es bei Ihnen ist – mir passiert so etwas immer noch oft. Viel zu oft. Und wenn ich diese Ärgernisse anspreche, kommt der Standardsatz „Ich gebe es weiter.“ Und ich erkenne schon an der Betonung, dass nichts passieren wird.
Das genau ist der Unterschied zwischen „gut gemeint“ und „gut gemacht“. Genau da zeigt sich der Unterschied zwischen billigen Lippenbekenntnissen und echter Servicehaltung. Und es zeigt sich, ob Haltung alle und alles durchdringt, ob Haltung systematisch im Unternehmen verankert wurde, gelebt und trainiert wird – oder doch nur von Zufall, Lust und Laune abhängt.